Netzwerke sind die Antwort auf Komplexität - Interview Föhr/Ristig


14. Dezember 2010 von Stephanie Ristig-Bresser | 1 Kommentar

Tanja Föhr, Föhr, Agentur für Wissenstransfer
Vor 15 Jahren kamen Internet und E Mail, vor einigen Jahren CRM und Xing, heute lernen wir Cloudcomputing und loggen uns regelmäßig auf Facebook ein: Unsere Gesellschaft und ihre „Tools” entwickeln sich immer schneller. Außerdem sind Innovationen gefragt, damit wir im weltweiten Wettbewerb Schritt halten können. Wie wir das wohl schaffen? Darüber und über einige Themen mehr haben wir uns mit Tanja Föhr unterhalten, die gerade Föhr Kommunikation, die Agentur für Wissenstransfer aufbaut. Zuvor war Tanja Föhr unter anderem als Projektleiterin im Innovationszentrum Niedersachsen beschäftigt und hat dort diverse innovative Prozesse in Gang gesetzt und moderiert, beispielsweise den Meta-Netzwerk-Prozess „Zukunft schmieden” ein netzwerkübergreifender Prozess für Netzwerke aus allen Branchen in Niedersachsen. Auch die Basis-Konzepte für die Ideen-Expo und die Kampagne „Innovatives Niedersachsen” stammen aus ihrer Feder. Tanja Föhr beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit den Themen Innovationsmanagement, Wissenstransfer und Moderation. Zur Zeit promoviert sie am Lehrstuhl von Prof. Dr. Bettina Oppermann an der Leibniz Universität in Hannover zum Thema „Effizienz des Wissenstransfers bei Fachtagungen”.

Wir brauchen Innovationen, um uns weiter erfolgreich am Weltmarkt behaupten zu können. Wie können wir eine Innovationskultur fördern? Gibt es dafür „Rezepte” und „Fahrpläne”?


Natürlich ist, für jedes Unternehmen und jede Organisation, ein individuelles Konzept anhand der Stärken im Unternehmen zu entwickeln. Grundsätzlich kann man aber durch eine positive Grundstimmung, die Eigenverantwortung und Kreativität stärkt, die Innovationsfreudigkeit entscheidend fördern. Der Mensch lernt über Emotionen und immer dann besser, wenn gute Beziehungen untereinander bestehen. Neurowissenschaftliche Studien haben beispielsweise erwiesen, dass ich mir wesentlich mehr und länger merken kann, wenn ich mir zuvor positive Bilder angeschaut habe. Man sollte also für eine „good mood” sorgen, wenn man frische Ideen auf den Plan haben will: Das tut in der Arbeitsumgebung gut aber auch zum Beispiel bei Tagungen.


Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, die Arbeits- und Tagungsräume als Lernorte wahrzunehmen und entsprechend zu beurteilen. Fragen wie: Können sich Kollegen informell untereinander austauschen? Gibt es dafür Räume oder ist Arbeitszeit dafür reserviert? Habe ich daran gedacht, Hilfen anzubieten, damit Menschen auf Tagungen häufiger ins Gespräch kommen? Zum Beispiel, indem man während der Pausen Thementische schafft.
Außerdem halte ich es für wichtig, eine Kultur zu entwickeln, die sich für Lösungen interessiert anstatt für Probleme. Gerade wir Deutschen sind doch sehr auf die Fehler und Worst Case Szenarien fixiert. Der Lösung ist es aber egal wie das Problem zustande kam. Und eine positive Vision oder ein Best Case Szenario setzt mehr Energie frei, das Ziel zu erreichen, als ein negatives. Ein Neugierig-sein, und das Nach-Ahmen guter Lösungen setzen da einen anderen Fokus. So können Innovationen passieren. Sehr gut unterstützen dabei auch Visualisierungen, Provokationen und das Zusammenfassen von Schüsselbegriffen durch Moderation.

In einem Artikel auf Deinem Blog Innovationskommunikation forderst Du, dass die Menschen egoistischer werden sollten. Haben wir in unserer Ellenbogen-Gesellschaft nicht schon Egoisten genug?


Ein gesunder Egoismus - und damit meine ich wirklichen Egoismus und nicht Narzissmus - ist gut für uns. Bei einem gesunden Egoismus kommt es nämlich zu dem Prinzip „Liebe deinen Nächsten wie dich selber.” Die Zufriedenheit eines Menschen steigt nicht mit noch mehr Geld - auch wenn viele das glauben. Der höchste Zufriedenheitsgrad wird bei einem Einkommen von etwa 80.000 Euro erreicht, noch mehr Einkommen sorgt für keine größere Erfüllung. Was uns aber wirklich glücklich macht, ist, wenn wir anderen Menschen etwas geben können. Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir wollen füreinander da sein und von den anderen Menschen Bestätigung erhalten. Wir tun gerne aus eigenen Stücken Gutes, weil wir uns Anerkennung wünschen. Deshalb ist es wichtig, sich wirklich auf sich selbst zu besinnen, sich nicht „aufzuopfern” und gesund, in einem Work-Life-Balance, mit sich umzugehen und in positiver Hinsicht zum Egoisten zu werden. Das tut unserer Gesellschaft sehr gut.
Dieses Auf-sich-selbst-Besinnen hat aber noch einen anderen Gesichtspunkt: in unserer fluiden Gesellschaft, in der sich so immens viel um uns herum verändert - in Beruf wie in der Familie, ist es wichtig, sein Selbst zu festigen. Heute haben wir keine festen Rollen mehr, viele werden sowohl den Berufe als auch die familären Konstellation mehrmals in im Leben wechseln. Da müssen wir stabil in uns selbst sein, sonst geraten wir ins Schlingern. Oder wir haben Angst vor Kontrollverlust und lassen keine Veränderungen mehr zu. Leben ist aber Veränderung und durch die Globalisierung findet diese Veränderung schneller statt als noch vor 100 Jahren. Dafür sollten wir diese innere Stärke und Stabilität entwickeln.

Gerade Führungskräfte haben eine Schlüsselrolle inne, wenn es darum geht, in Unternehmen eine Innovationskultur zu entwickeln. Wie können sie dazu beitragen?Die Führungskräfte von Heute sollten eher Facilitator und Moderatoren denn Fachkräfte sein. In unserer komplexen Welt sind Innovationen das Ergebnis von Netzwerken und Austausch. Deswegen muss ein offener und konstruktiver Dialog möglich sein. Dieses Vertrauen in sein Team kann nur eine Führungskraft haben, die um ihre eigenen Stärken weiß und keine Angst hat, dass ihr die Ruder aus der Hand genommen werden können. Deswegen können Coachings für Führungskräfte hilfreich sein, die sie zunächst in ihrer Position und Person stärken, um dann anschließend neue Ziele und Lösungen zu erarbeiten.

Wir leben in einer unglaublich dynamischen Welt, in der Informationen und Wissen in einer eklatanten Geschwindigkeit wachsen. Wie können wir mit dieser Entwicklung Schritt halten?


Indem wir kollektive Netzwerke bilden - offline wie online. Das Internet bietet uns ja hervorragende Möglichkeiten, uns miteinander zu vernetzen und Wissen zu teilen. Netzwerke sind die Antwort auf die Komplexität. Klar dafür braucht es starke Menschen, die neugierig auf Veränderungen sind, die bereitwillig ihr Wissen teilen, die keine Angst davor haben, dass ihnen etwas weg genommen wird. Unsere kollektive Intelligenz wird uns zu neuen Lösungen bringen und dazu, unsere Zukunft zu meistern und die Lebensumstände für die Menschen weiter zu verbessern.

Was ist Deiner Meinung nach die größte Herausforderung, vor der wir in Zukunft stehen?Ich glaube, unsere größte Herausforderung ist es, unsere Kommunikationsfähigkeit noch weiter zu entwickeln. Destruktive Konflikte am Arbeitsplatz oder in der Familie sind leider immer noch die Regel. Das wirkt sich auf die Gesundheit der Menschen negativ aus und sie sind nicht zufrieden- egal wie viel sie Geld verdienen. Wir sollten bei der Personalentwicklung noch stärker die sozialen Kompetenzen stärken, wie Konfliktfähigkeit, Feedback-Kultur, interkulturelle Kompetenz und der Gleichen. Sind Mitarbeiter darin geschult und wissen wie sie selber im Streit besser reagieren können, dann ist die Stimmung in einem Betrieb auch besser, was die Innovationsbereitschaft erhöht, den Krankenstand senkt und die Zufriedenheit steigern lässt.
In Zukunft stehen wir auch vor der Herausforderung, unsere Demokratie weiter zu entwickeln. Stuttgart 21 zeigt, dass die Bürger sich mehr einbringen wollen. Hier muss sich die Politik Antworten finden, wie und wann die Bevölkerung mitgestalten kann.

Und zum Schluss die obligatorischen Adventskalenderfragen: Wie verbringst Du selbst Weihnachten, was wünschst Du Dir zu Weihnachten und welche Wünsche und Pläne hast Du für das kommende Jahr?


Unser Heiligabend beginnt damit, dass die ganze Familie am Morgen gemeinsam auf den Markt geht. Dann ergattern wir einen der letzten Tannenbäume - meistens einen sehr krummer, schiefer Baum. Aber gerade das finden wir gut: Bei uns zu Hause findet der Baum eine Herberge, den sonst niemand bei sich aufnehmen möchte. Oft wurden wir dafür mit mitleidigen Blicken bedacht. Unsere Familie hingegen findet das jedoch richtig klasse. Wenn wir auf dem Markt waren, wird anschließend gemeinsam das Essen eingekauft. Im Gegensatz zu den Tagen davor sind die Geschäfte dann meist richtig leer. Anschließend feiern wir gemütlich im Familienkreis. Wie und in welcher Konstellation findet sich dann schon. Meine beiden Kinder haben mittlerweile Freund und Freundin, von daher werden sie vielleicht auch bei den Familien ihrer Freunde sein. Das kann ich noch gar nicht so genau sagen.


Zu Weihnachten wünsche ich mir ein größeres Büro, momentan ist es sehr beengt bei uns. So ein Büro im Grünen, im Garten. Das hätte was. Aber das wird sich sicherlich auch noch finden.
Im kommenden Jahr werde ich meine Agentur weiter aufbauen und Kooperationspartner und Mitwirkende hierfür finden. Ich habe mich für das Studium Arbeitswissenschaften eingeschrieben und bin gespannt, wie das wird. Ein wenig treiben lassen, werde ich mich dabei auch. Bisher habe ich immer die richtigen Unternehmungen und Menschen gefunden. Momentan genieße ich es einfach sehr, sehr flexibel in meiner Zeitgestaltung zu sein und beispielsweise auch genügend Zeit für den Sport zu haben.


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